"Viel Blumen blühn"

Die Galerie Martina Kaiser freut sich sehr, Vanessa Oppenhoff zum Jahresauftakt 2024 mit der Ausstellung „Viel Blumen blühn“ präsentieren zu dürfen. Die Einführung in die Ausstellung spricht Dr. Maria Spitz, Kuratorin Mode & Textil. In ihrem neuen Werkzyklus setzt sich Vanessa Oppenhoff mit der Ambivalenz von Tik Tok, Instagram & Co. auseinander und kleidet die Errungenschaften der digitalen Plattformen, wie z.B. die Sichtbarmachung von Vielfalt und die Faszination des Wandels, in so scharfsinnige wie poetische Bildwelten. Gleichzeitig veranschaulicht sie, dass diese Medien etwas mit uns machen, uns justieren und neu formen. Dafür wählt sie einmal mehr ihre einzigartige Nähtechnik, die ihren Figuren den Nimbus des Märchenhaften verleiht. Anders als in ihren vorherigen Werkreihen scheint sich die Physis der Gestalten diesmal aufzulösen, indem sich Gesichter und Körper spiegeln, und in dieser Dopplung in die Verzerrung und damit ins Abstrakte laufen. Was als Ganzes, Vollkommenes beginnt, erfährt im Prozess eine Wandlung ins Diffuse, nicht mehr Greifbare – und thematisiert damit die Veränderung, die wir im Zuge der digitalen Revolution durchlaufen. Dabei nimmt Vanessa Oppenhoff keine Wertung vor; ihre Bildwelten werfen weder Utopie noch Dystopie auf, sondern sind vielmehr ein bewusst offen gelassener Topos, der Raum für alle Möglichkeiten und Ausprägungen lässt. Dies wird auch durch die Farbigkeit der Hintergründe verstärkt, die auf Basis der Aquatinta-Technik, einem durch Ätzung erzeugten Tiefdruckverfahren, entstanden sind und die Bilder um eine weitere abstrakte Komponente ergänzen. Vanessa Oppenhoff greift mittels Aquatinta auf das Experimentelle, Alchemistische zurück und verweist durch das Prinzip von Zerstörung und Neuerschaffung auf den Kreislauf des Lebens. Aus allem, was vergeht, geht etwas Neues hervor; die Künstlerin lotet den Platz dazwischen aus und verweist sowohl materiell wie inhaltlich auf den Wandel, dem wir durch innere wie äußere Lebensumstände, hier anhand des Virtuell-Digitalen, unterliegen. Und der Vielfältigkeit, Individualität und permanente Werdung impliziert. Dafür nutzt Vanessa Oppenhoff das Gedicht des berühmten deutschen Dramatikers Heiner Müller „Viel Blumen blühn“ als Leitfaden; wobei es hier nicht Inspiration und geistige Quelle für ihr aktuelles Werk ist, sondern ein im Nachgang erwähltes ordnendes Leitmotiv, das den künstlerischen Impetus und Gestus symbolisch zusammenfasst. Trotz der geradezu philosophischen Tiefe verströmen die Bildwelten der Kölnerin eine spielerische, elegante Aura, stets unterfüttert mit Zugewandtheit und Humor. Das macht sie – neben der einmaligen auf Nadel und Faden beruhenden Technik – zu einer der aktuell spannendsten deutschen Künstlerinnen, jüngst geadelt mit der Gruppenausstellung „Fäden – Material, Mythen, Symbole“ in der Draiflessen Collection in Mettingen (noch bis 25.02.2024). Die Kuratorin dieser Ausstellung, Dr. Maria Spitz, wird die Einführung sprechen.

Vanessa Oppenhoff lebt und arbeitet in Köln. Sie studierte zunächst an der FH Köln, dann an der Universität der Künste Berlin, wo sie zur Meisterschülerin von Prof. Heinz Emigholz avancierte. Die Trägerin diverser renommierter Kunstpreise blickt auf Ausstellungen und Festivalteilnahmen in Deutschland, Tunesien, Italien sowie den USA zurück und ist in zahlreichen internationalen Sammlungen vertreten. 2020 war ihr Werk Teil der Museumsausstellung „Mit Stich und Faden“ im Bonner August-Macke-Haus, 2023 folgte die Gruppenausstellung „Fäden – Material, Mythen, Symbole“ in der Draiflessen Collection, wo sie neben Rosemarie Trockel, Louise Bourgeois und Rosa Loy zu den ausstellenden Künstler*innen zählt.

 

 

Fragmente aus verlorenen Tagen

 In ihrem neuen Zyklus bezieht Vanessa Oppenhoff sich auf das Gedicht „Fragmente aus verlorenen Tagen“ aus Rainer Maria Rilkes Lyriksammlung „Das Buch der Bilder“. Ihre mal schonungslos direkten, mal liebevoll ironischen Bildwelten erinnern in ihrem stark zeichnerisch geprägten Stil und mit ihrer hohen narrativen Dichte an Graphic Novels - gründen bei genauem Hinsehen jedoch auf einer einzigartigen Mischtechnik, bei der die Motive ihre Werdung Nadel und Faden verdanken. Dabei bilden Vanessa Oppenhoffs gestickte Tier- und Menschenfiguren nicht zuletzt aufgrund der Titelzuschreibungen einen Rückbezug auf Rilkes epochales Gedicht, das von Verwandlung, Vergänglichkeit und Neuentstehung handelt. Und damit eine Parabel zu den Geschehnissen der letzten zwölf Monate darstellt, die im Zeichen der Corona-Pandemie standen. Aber auch von Bewegungen wie „Black Lives Matter“ geprägt wurden. Womit Vanessa Oppenhoff uns hier ihre künstlerische Reflexion über diese Phänomene und ihre persönliche Aufarbeitung dieser Zeit präsentiert.

Dafür entnimmt die Kölner Künstlerin Rilkes Werk einzelne Zeilen und unterzieht sie der metaphorischen Analyse, um sie dann in so ätherische wie humorvolle Kontexte zu übersetzen. So wird die Passage „Im blauen Treibhaus wo die Lüfte logen“ motivisch zu einer Porträtreihe von Krankenschwestern materialisiert, die sich, mit Maske bewehrt, anmutig und kämpferisch zugleich geben. Und somit dem „blauen Treibhaus“, also der Isolation des Krankenhauses, und der „lügenden Luft“- den gefährlichen Aerosolen – trotzen.

„Die Gnade eines frühen Strahles“ manifestiert sich in zwei Kassiererinnen, die zum Sinnbild für unsere eingeschränkten Sozialkontakte werden. Ist der Gang zum Supermarkt für viele von uns doch das Highlight des Tages. Es ist dieser Witz, dieser spielerische Charme, der die Arbeiten von Vanessa Oppenhoff so anziehend macht. Und Rilkes Ansatz von Verwandlung und Neuentstehung bildlich virtuos fortzuführen weiß.  

„Dass etwas draußen groß ist und ergrimmt“ schreibt Vanessa Oppenhoff betörend diffusen, teils bewaffneten Menschenansammlungen zu, die auf „Black Lives Matter“ verweisen. Womit sie der Vereinigung, die von der Kunstzeitschrift Monopol 2020 überraschenderweise zum wichtigsten Akteur der Kunst- und Kulturwelt geadelt wurde, ihren eigenen Tribut zollt. Und einmal mehr beweist, dass Rilkes Gedicht, rund 120 Jahre nach seiner Entstehung, als perfekte Blaupause für die Vorgänge und Entwicklungen der Jetztzeit dient und somit ungebrochene Relevanz besitzt. 

Parallel zu den Bildern werden die Videoarbeit „Desert Break“ sowie das Fotowerk „Portrait of Lovers“ zu sehen sein.

Yorca Schmidt Junker, 2021


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